Hindsight-Bias – oder: «Ich habs doch schon immer gewusst»
Der Rückschaufehler beschreibt unsere Tendenz, ein Ereignis rückblickend als vorhersehbar anzusehen, auch wenn es ursprünglich unvorhersehbar war.
27. November 2024
Der Rückschaufehler oder der Hindsight-Bias beschreibt das psychologische Phänomen bei dem Menschen ein Ereignis im Nachhinein als vorhersehbar einschätzen, selbst wenn es ursprünglich unerwartet war. Erkennen wir wie ein Ereignis ausgegangen ist, tendieren wir dazu rückblickend anzunehmen, dass wir es «immer schon gewusst» haben. Diese Verzerrung (Bias) tritt auf, weil unser Wissen über den Ausgang unbewusst unser Gedächtnis und unsere Einschätzung beeinflusst.
Kann man Crashs vorhersehen?
Der Rückschaufehler kann weitreichende Folgen haben, vor allem wenn es um strategische Entscheidungen geht. Ein Beispiel: Investoren neigen dazu, nachträglich anzunehmen, dass sie wichtige Marktbewegungen wie einen Crash hätten voraussehen können. Das führt zur Annahme, dass zukünftige Börsencrashs leichter erkennbar seien – was jedoch in den seltensten Fällen stimmt.
Meist überschätzt man unter diesen Voraussetzungen die eigenen Fähigkeiten und das Risiko beurteilt man falsch. Für ein Anlageportfolio kann dies negative Konsequenzen haben. Wer nämlich glaubt, einen Crash im Voraus identifizieren zu können, liquidiert meist vorschnell seine Portfoliopositionen. Mit der Liquidation werden Verluste realisiert oder es werden vielfach Short-Positionen aufgebaut, mit denen man von einem Crash profitieren will. Bleibt der Crash aus, sind solche Positionen oft einem Totalverlust ausgesetzt.
Anlagetagebücher können helfen
Die Finanzkrise von 2008 und die Dotcom-Blase in den späten 1990er-Jahren sind Paradebeispiele für den Hindsight-Bias: Obwohl damals selbst erfahrene Analysten keine Warnsignale sahen, ist heute eine grosse Zahl von Menschen überzeugt, dass die Einbrüche absehbar waren. Diese Rückschauverzerrung verleitet sie, in jeder Marktkorrektur einen Bärenmarkt zu wittern – oft zum Nachteil der eigenen Rendite.
Um sich als Investor vor dem Hindsight-Bias zu schützen und aus eigenen Entscheidungen zu lernen, können zwei Methoden hilfreich sein: 1) Mit systematisiertem Investieren stützt man sich auf klar definierte Regeln und kann kognitive Verzerrungen reduzieren und Entscheidungen rational treffen. Ein systematischer Ansatz hilft, die Realität zu erkennen, statt sich auf vermeintliche Prognosefähigkeiten zu verlassen.
2) Ein Investitionstagebuch, in das jede Transaktion und die Beweggründe dazu eingetragen werden, ermöglicht realitätsnahe Reflexionen und beugt irrationale Verzerrungen vor. So wird der ursprüngliche Denkprozess festgehalten und bleibt auch rückblickend objektiv nachvollziehbar. Diese Ansätze können helfen, den eigenen Entscheidungsprozess realitätsnah und rational zu gestalten und sowohl Risiken als auch Chancen am Markt besser wahrzunehmen.
Artikelserie: Das 1x1 der Börsenpsychologie
Beim Investieren führt rationales Verhalten zum besten Ergebnis. Aber der Mensch handelt oft irrational: Herdentrieb, Selbstüberschätzung oder Home-Bias verleiten zu schlechten Entscheiden. Wir stellen die häufigsten Anlagefehler in einer Serie vor.
Bereits erschienen:
Teil 1: Overconfidence-Bias
Teil 2: Home-Bias
Teil 3: Anchoring-Bias
Teil 4: Self-Serving-Bias
Teil 5: Gambler‘s Fallacy
Teil 6: Hindsight-Bias
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