Zinspolitik: Europa setzt geldpolitisches Ausrufezeichen
Als Antwort auf die hohen Inflationsraten hat die Europäische Zentralbank (EZB) einen Zinsschritt vor den Sommerferien in Aussicht gestellt. Und wie wird die Schweiz reagieren?
3. Juni 2022
In den USA werden aktuell zwei weitere Zinserhöhungen im Ausmass von je 0,5 Prozent im Juni und Juli von den Marktteilnehmern erwartet. Damit dürfte die US-Fed die Zinsen noch vor den anstehenden Sommerferien auf rund 2,0 Prozent anheben. Für Herbst werden weitere Zinserhöhungen erwartet.
Auch in England oder beispielsweise in Neuseeland wurden die Zinsen in den letzten Monaten zum Teil substantiell erhöht. Deutlich zurückhaltender waren in dieser Hinsicht die Europäische Zentralbank (EZB) und die Schweizerische Nationalbank (SNB). Aber auch hier ist es in den letzten Wochen zu einer Neubeurteilung der Situation gekommen.
So hat beispielsweise Christine Lagarde, die Präsidentin der EZB, noch vor den Sommerferien eine Zinssatzerhöhung von 25 Basispunkten in Aussicht gestellt. Nach einer weiteren Zinserhöhung im Herbst wäre dann das Ende der Negativzinsen definitiv erreicht. Ähnlich explizite Wortmeldungen wie diejenigen von Christine Lagarde sind für eine Präsidentin der EZB unüblich.
Zins-Falken reagieren enttäuscht
Angesichts der Vielzahl von Wortmeldungen von Zentralbankoffiziellen in der jüngsten Vergangenheit war es wohl durchaus Absicht von Christine Lagarde, ein geldpolitisches Ausrufezeichen zu setzen. Nichtsdestotrotz sind ihre Aussagen bei vielen geldpolitischen Falken auf wenig Gegenliebe gestossen, weil sie sich stärkere Zinserhöhungen im Kampf gegen die steigenden Inflationsraten gewünscht hätten.
Im Zuge der geänderten geldpolitischen Rahmenbedingungen rund um den Globus und aufgrund des durchaus robusten Konjunkturverlaufs in der Schweiz stellt sich die Frage, wie sich die SNB in den nächsten Wochen und Monaten positionieren wird. Klar ist, dass auch für die Schweiz erste Zinserhöhungen anstehen. Dabei sind wir dezidiert der Auffassung, dass die Geldpolitik der SNB mehr ist als lediglich eine Abkupferung der EZB.
Entsprechend der Geldpolitik der vergangenen Jahre wird die SNB eine für die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Schweiz massgeschneiderte Geldpolitik umsetzen. Dass diese in weiten Teilen der Geldpolitik der EZB ähnelt, liegt an der geographischen Nähe, an der wirtschaftlichen Verflechtung sowie an einer in manchen Bereichen ähnlichen wirtschaftlichen Struktur.
Dennoch betont die SNB ihre Unabhängigkeit und ihre eigenständigen Entscheide. Für die aktuelle Geldpolitik in der Schweiz bedeutet dies, dass erste Zinserhöhungen bis zur 0-Prozent-Marke weitgehend symbolischer Natur sind.
Für ihre nächsten geldpolitischen Entscheidungen hat die SNB damit deutlich grösseren Freiraum als die Zentralbanken anderer westlicher Volkswirtschaften. Das Potenzial für Überraschungen der nächsten geldpolitischen Entscheidung der SNB ist also durchaus gegeben. Das wahrscheinlichste Szenario ist dabei ein SNB-Leitzins von 0 Prozent per Ende 2022.
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