Wieso das Aus für das EU-Rahmenabkommen die Börse kaum kümmert
Makroökonomisch hat der Verhandlungsabbruch für die Schweizer Volkswirtschaft keine grosse Bedeutung. Für einzelne Branchen hingegen könnte es schwieriger werden.
3. Juni 2021
Der Versuch der Schweiz, mit der EU ein institutionelles Rahmenabkommen zu schnüren, ist gescheitert. Als unüberwindbar haben sich die Diskussionen zum Lohnschutz, über die Unionsbürgerrichtlinie und die staatlichen Beihilfen erwiesen. Aber welche wirtschaftlichen Implikationen hat der Verhandlungsabbruch für die Schweiz? Grundsätzlich lässt sich sagen, dass die Schweiz auch weiterhin über ein bilaterales Vertragswerk mit der EU verfügt. Daran dürfte sich bis auf weiteres auch nichts ändern.
Wie sich allerdings die Position der Schweiz bei zukünftigen Vertragsverhandlungen mit der EU darstellt, wird sich erst noch zeigen. In der Konsequenz haben denn auch die Börsen nur wenig auf das Scheitern des Rahmenvertrags mit der EU reagiert. Die Einschätzung der Marktteilnehmer ist es, dass die seit langer Zeit international operierenden börsenkotierten Unternehmen von dieser Entwicklung wenig spüren. Beinahe alle diese Firmen produzieren bereits im EU-Raum. Weniger im Fokus steht auch das Gros der kleineren und grösseren Dienstleistungsunternehmen.
Vorteile für kleinere Nischenplayer
Sie erbringen ihre Leistung in erster Linie vor Ort und damit in der Schweiz. Problematischer könnte sich die Situation für Unternehmen erweisen, die Güter in der Schweiz produzieren und diese in der EU verkaufen. Aber auch hier gilt es zu differenzieren. Aktuell ist davon auszugehen, dass Unternehmen mit hochspezialisierten Produkten in Nischenmärkten ihre Güter weiterhin absetzen können.
Schwieriger dürfte es für Unternehmen werden, die Produkte herstellen, die in ähnlicher Form im EU-Raum produziert werden. Ein erschwerter Zugang zum EU-Markt in Kombination mit den Eigenschaften des Arbeitsmarktes der Schweiz (hohe Löhne) erschweren die wirtschaftliche Entwicklung dieser Unternehmen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass letztere Firmen oft personalintensiver operieren als hochspezialisierte Unternehmen. Die Folge wäre eine steigende Arbeitslosigkeit in betroffenen Branchen.
2021 entscheidet der Bundesrat im Alleingang
Kommt hinzu, dass sich eine erhöhte Unsicherheit über die politische und wirtschaftliche Entwicklung mit der EU zumindest vorübergehend lähmend auf die Investitionstätigkeit vieler Unternehmen auswirken könnte. Während also auf makroökonomischer Flughöhe die Auswirkungen des Verhandlungsabbruchs eine untergeordnete Bedeutung haben, dürfte es in einzelnen Branchen dennoch zu grösseren Anpassungen kommen. Im Fokus stehen dabei die produzierenden Sektoren wie die Maschinenindustrie.
Vieles erinnert an die Entwicklung der Schweiz im Nachgang zum EWR-Nein von 1992, mit dem Unterschied, dass die Bevölkerung der Schweiz damals an der Urne über ihr Schicksal selbst entscheiden konnte. 2021 tat es der Bundesrat im Alleingang.
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