Sind tiefere Leitzinsen jetzt wirklich realistisch?
Wegen sinkender Geldmarktzinsen werden derzeit allenthalben tiefere Leitzinsen in Aussicht gestellt. Dabei werden aber die Grundprinzipien der modernen Geldpolitik nicht ausreichend gewürdigt.
3. Januar 2024
Zentralbanken sind in den letzten Monaten deutlich weniger explizit und in der Tonalität zurückhaltend aufgetreten. Nicht ganz überraschend haben sich in diesem Umfeld die Beobachter der Zentralbanken mit expliziten Meinungen zur zukünftigen Geldpolitik positioniert. Folglich ist es zu einem deutlichen Rückgang der Geldmarktzinsen gekommen. Zur Beurteilung und allfälligen Relativierung dieser oft lauten Kommentare sei auf einige Grundprinzipien der modernen Geldpolitik hingewiesen.
Weitgehend unbestritten ist dabei wohl Grundprinzip eins: Moderate Inflation als zentrales geldpolitisches Ziel. Über die letzten Jahre ist die Erkenntnis gereift, dass die Inflation die absolut zentrale Kenngrösse ist, an der sich jede Geldpolitik orientiert. In der aktuellen Situation sei aber darauf hingewiesen, dass die Inflation rund um den Globus zuletzt deutlich rückläufig war. Allerdings verharrt sie weiterhin auf (zu) hohen Niveaus.
Grundprinzip zwei: Effektive Geldpolitik ist mittel- bis langfristig ausgerichtet. Was oft vergessen geht, ist die Tatsache, dass gerade die Zentralbanken diejenigen Institute sein sollten, die sich nicht vom steten Auf und Ab der Finanzmärkte beeindrucken oder beeinflussen lassen sollten. Das Ziel der Zentralbanken muss es sein, Ruhe zu bewahren. Die Folge sind in der Regel langfristige Zinszyklen mit einer Reihe von Zinserhöhungen oder Zinssenkungen, die nur periodisch also ein oder zwei Mal pro Jahr ganz grundsätzlich hinterfragt und noch weniger angepasst werden.
Grundprinzip drei: Geldpolitische Entscheidungen orientieren sich an internationalen Trends. Die starke Verflechtung der Volkswirtschaften bleibt eine Realität. Unter diesen Umständen überrascht es wenig, dass sich die Vertreter der Zentralbanken regelmässig zum Austausch treffen. Im Fokus stehen dabei oft die Jackson-Hole-Konferenz oder aber auch die Frühlingskonferenz der Weltbank in Washington. Hier werden oft die Weichen gestellt für die Geldpolitik der Zukunft.
Grundprinzip vier: Gewinnoptimierung ist nicht das Ziel der Geldpolitik. Auch wenn insbesondere der politische Anspruch oft die Gewinnmaximierung der Zentralbanken ist, steht dieser Anspruch einer effektiven Geldpolitik diametral entgegen. Per Definition kann eine Zentralbank nur geldpolitische Stimuli setzen, wenn sie sich von den Marktpreisen entfernt und damit bereit ist, zum Wohle der verschiedenen Volkswirtschaften Verluste einzufahren. Argumente wie beispielsweise, dass eine Zinssatzsenkung die Verzinsungskosten auf der SNB-Bilanz reduziere und damit für die Zentralbank zielführend sei, greifen in unseren Augen zu kurz.
Unter diesen Umständen lässt sich festhalten, dass einzelne kurzfristige Zinsanpassungen nicht im Interesse der verschiedenen Zentralbanken sind. Sie operieren in der Regel mit grossen Pinselstrichen und überlassen die Ausarbeitung der feinen Details den privaten Initiativen der Wirtschaft. Eine Einschätzung, die in den täglichen Marktkommentaren viel zu oft vergessen geht.
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