Japans Nullzinspolitik: Spannendes Experiment mit unklarem Ausgang
Im Land der aufgehenden Sonne setzt die Regierung trotz steigender Inflation weiterhin auf eine expansive Geldpolitik. Kommt es zum Leistungsbilanzdefizit, wird das problematisch.
2. November 2022
Im Konzert der grossen westlichen Industrienationen fällt Japan mit seiner Wirtschaftspolitik deutlich aus dem Rahmen. Im Gegensatz zum Gros der anderen Volkswirtschaften führt diese Industrienation ihre Nullzinspolitik auch im vierten Quartal 2022 unverändert weiter. Das letzte Mal wurde dieser Entscheid anlässlich des Treffens der Zentralbank Japans (Bank of Japan) Ende Oktober bestätigt.
Dies überrascht umso mehr, als auch in Japan die Inflation in den letzten Monaten beständig angestiegen ist und langjährige Höchstwerte erreicht hat. Ein vergleichbarer Inflationswert wurde in Japan das letzte Mal zu Beginn der 1980er-Jahre beobachtet. Wie in vielen anderen Volkswirtschaften sind höhere Energie- und Lebensmittelpreise die wichtigsten Preistreiber in Japan.
Der Yen verliert permanent an Wert
Dass angesichts dieser Geldpolitik die japanische Währung Yen permanent an Wert verliert, überrascht wenig. Eine Entwicklung, die wiederum ihrerseits die Importkomponenten der Japanischen Inflationsmasse befeuert. Gemäss Schulbuch würde man eine andere Geldpolitik erwarten, eine restriktivere Art, so wie sie die anderen grossen Zentralbanken derzeit verfolgen.
Denn grundsätzlich ist bei Geldpolitikern die Meinung weitestgehend unbestritten, dass jede Stimulation der Nachfrage einen zusätzlichen inflationären Effekt mit sich bringt. Die neue Dimension der aussergewöhnlichen wirtschaftspolitischen Vorgehensweise von Japan wird komplementiert durch die Ankündigung der Regierung von Premierminister Kishida, dass er gewillt ist, ein gigantisches Fiskalpaket zu schnüren, um den negativen Effekten der deutlich gestiegenen Inflation in Japan zu begegnen und damit noch einmal die Nachfrage der Wirtschaft zu stimulieren.
Nahe dem kritischen Punkt
Das vom Kabinett gebilligte Zusatzbudget von 29 Billionen Yen entspricht einem Anteil von rund 5,3 Prozent des japanischen BIP. Auch wenn diese Vorgehensweise im Grundsatz der verunglückten Wirtschaftspolitik der abgesetzten Regierung von Liz Truss in England ähnelt, gibt es im Fall von Japan eine Reihe von relativierenden Faktoren:
1) Die aktuelle in Japan ausgewiesene Inflation ist deutlich tiefer als der vergleichbare Wert in England. 2) Die Wirtschaft in Japan zeigt deutliche Zeichen der Abschwächung. 3) Es trifft aber vor allem auch zu, dass die Bank of Japan von den wichtigen Zentralbanken besonders aktiv war bei der Verringerung der Bilanzsumme. Diese wurde alleine in den letzten Monaten um deutlich über 5 Prozent reduziert, was von den Finanzmärkten kaum zur Kenntnis genommen wurde.
Problematisch wird Japans geldpolitischer Kurs aber spätestens dann, wenn der Leistungsbilanzüberschuss in ein Leistungsbilanzdefizit umschlägt. Bereits jetzt befinden wir uns sehr nahe an diesem Punkt. Die Regierung Kishida hat sich auf ein spannendes Experiment mit unklarem Ausgang eingelassen.
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