Konsumboom und galoppierende Inflation: Zentralbanken werden weiter bremsen
Das laufende Jahr brachte eine markante Zinswende. Mit weiteren Erhöhungsschritten der Leitsätze ist zu rechnen, allerdings nicht mehr im Ausmass der bisherigen Anpassungen.
2. November 2022
Das Jahr 2022 nähert sich mit schnellen Schritten seinem Ende. Für viele Investorinnen und Investoren war es ein besonders unerfreuliches Jahr. Nach zwei Jahren, in denen das Coronavirus und seine Auswirkungen auf die Wirtschaft das Geschehen an den Finanzmärkten dominierten, hätten sich viele Anlegerinnen und Anleger ein Jahr der Konsolidierung gewünscht.
So weit ist es aber nicht gekommen. Zwar hat sich schnell abgezeichnet, dass die Wirtschaft aufgrund verschiedener konjunkturstimulierender Massnahmen zügig aus der Corona-Sackgasse herausfinden würde. Nach Jahren der pandemiebedingten Zurückhaltung und befeuert durch gestiegene Realvermögen brachten die letzten zwölf Monate sogar einen regelrechten Konsumboom.
Wertschöpfungsketten sind ins Stottern geraten
Doch die erhöhte Konjunkturdynamik führte in verschiedenen Wirtschaftsbereichen zu Engpässen. So ist es insbesondere auf dem Arbeitsmarkt zu einer Knappheit gekommen und in der Folge auch zu erhöhtem Preis- respektive Lohndruck. Zudem sahen sich die Produktionseinheiten vieler Unternehmen mit Schwierigkeiten konfrontiert – und dies gleich in doppelter Hinsicht.
Zum einen wegen der Verwerfungen in den Wertschöpfungsketten: Wichtige Grund- und Zwischenprodukte waren nicht im nötigen Volumen am richtigen Ort verfügbar. Zum anderen führte Russlands Invasion in der Ukraine und die dadurch provozierten Sanktionen des Westens gegenüber Russland respektive die russischen Sanktionen gegenüber dem Westen zu einem weiteren Preisanstieg bei vielen Rohstoffen. Das Resultat ist eine galoppierende Inflation, die wohl viele Zentralbanken und deren Vertreterinnen und Vertreter auf dem falschen Fuss erwischt hat.
Mit höheren Zinsen gegen Inflation
Im Schlepptau der amerikanischen Zentralbank Fed mussten die Währungshüter mit bisher kaum beobachteter Heftigkeit an den Zinsschrauben drehen. Innert kurzer Zeit und in grossen Schritten haben sie die Geldmarktzinsen angehoben. Mit weiteren vergleichbaren Massnahmen ist in den wichtigsten Volkswirtschaften zu rechnen.
Zu Beginn des vierten Quartals befinden sich die Finanzmärkte also inmitten dieser geldpolitischen Anpassungen. Dennoch lässt sich festhalten, dass sich nach den eingeleiteten Massnahmen die finanzpolitische Grosswetterlage weniger bedrohlich darstellt als noch vor wenigen Wochen oder Monaten. Dies liegt in erster Linie an den eben beschriebenen Zinsmassnahmen der Zentralbanken und mit den damit verbundenen Erwartungen der Finanzmarktteilnehmerinnen und -teilnehmer.
Weitere Zinserhöhungen von bis zu 4 Prozent
In den jeweiligen Zinskurven nehmen sie für die nächsten Monate bereits weitere Zinserhöhungen zwischen 3,5 bis 4 Prozent in England und rund 1 Prozent in der Schweiz vorweg. Der Sinn dieser Massnahmen liegt auf der Hand. Sie sollen Investitionen der Unternehmen und den privaten Konsum der Haushalte gleichermassen bremsen und damit helfen, die heissgelaufene Wirtschaft abzukühlen.
Nicht ausgeschlossen werden kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt selbstverständlich, dass weitere geldpolitische Massnahmen der Zentralbanken notwendig sein werden. Allerdings dürften die weiteren Zinsmassnahmen in keinem Verhältnis zu den bereits getroffenen Zinsentscheiden stehen. Bereits gibt es denn auch erste Anzeichen eines sich abschwächenden Arbeitsmarktes.
Hat die US-Notenbank überreagiert?
Nicht ganz überraschend reagiert die US-Wirtschaft besonders sensitiv auf diese Entwicklung. Dies ist die Folge von besonders stark gestiegenen Geldmarktzinsen einerseits und einem traditionell besonders flexiblen Arbeitsmarkt andererseits.
Als Folge dieser Entwicklung ist zumindest in den USA nur mehr mit leicht höheren Zinsen zu rechnen. Es besteht sogar die Gefahr, dass die US-Fed mit ihren Aktivitäten überreagiert hat, und dies die Wirtschaft in eine tiefere Rezession mit sinkenden Zinsen führt. Dies ist allerdings nicht unser Hauptszenario.
Wie sieht jetzt aber die Situation in der Schweiz aus?
Wie hinlänglich bekannt ist die Inflation in der Schweiz im internationalen Vergleich auch in den letzten Monaten verhältnismässig moderat ausgefallen. Erstens dämpft der anhaltend starke Franken die importierte Inflation. Zweitens hat die Schweizerische Nationalbank (SNB) zu einem relativ frühen Zeitpunkt erste Zinsschritte ergriffen. Drittens sind auch die Inflationsaussichten für die kommenden Monate moderat.
Selbstverständlich wird der Preisdruck immer weitere Bereiche der Wirtschaft erfassen. Für die Schweiz von besonderer Bedeutung ist dabei die Entwicklung bei den Wohnpreisen. Im Vergleich zu den Vorjahren ist in der Folge mit einer beständigen Inflation zu rechnen. Allerdings haben auch in der Schweiz die Zinsen bereits heftig reagiert.
Auch wenn wir mit weiter steigenden Zinsen rechnen, dürfte das Ausmass dieser Zinssteigerungen im Vergleich zum Zinsanstieg der letzten Monate in der Schweiz verhältnismässig moderat ausfallen. Für Obligationen der Eidgenossenschaft mit zehnjähriger Laufzeit ist wieder mit Renditen von 2 Prozent und mehr zu rechnen.
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